Kolloquium Environmental Humanities

Unter dem Begriff der Environmental Humanities finden sich seit einiger Zeit Forscher zusammen, die Umweltfragen aus nicht-naturwissenschaftlichen Perspektiven bearbeiten. Dabei kommt es zu sehr fruchtbaren Begegnungen, da die jeweiligen Herangehensweisen an den gemeinsamen Gegenstand Umwelt sich vielfach in überraschender Weise ergänzen oder in Frage stellen. Unsere Kolloquiumsreihe, die im Wintersemester 2013/14 begann, setzen wir im Sommersemester 2014 mit vier Veranstaltungen fort.

Kontakt: Philipp P. Thapa

Sommer 2014

Uhrzeit und Ort: jeweils dienstags um 14 Uhr c.t. im Seminarraum Botanik, Soldmannstr. 15, 3. OG

22. April 2014

The politics of failure: the grey wolf in Finland

Juha Hiedenpää, Finnish Game and Fisheries Research Institute

Die Wölfe kehren zurück: ein Lernprozess für alle Beteiligten

Nathalie Soethen, Universität Greifswald

13. Mai 2014

Die Vision einer Postwachstumsgesellschaft: eine konkrete Utopie auf dem Prüfstand

Barbara Muraca, Universität Jena

3. Juni 2014

They talk, we listen: indigenous knowledge and western discourse

Hartmut Lutz, Universität Greifswald

24. Juni 2014

Buchvorstellung „Ökogemeinschaften und ihre Philosophien: Arbeiten aus einem Seminar an der Universität Greifswald“

Philipp Thapa & Dorothee Glüh (Hrsg.) und AutorInnen, Universität Greifswald

Winter 2013/14

Mittwoch, 22. Januar 2014, 14 Uhr c.t.

Sebastian Domsch

Agent im System
Ökologie und Ethik in Computerspielen

Computerspiele sind einerseits regelbasierte Systeme und präsentieren sich uns andererseits als fiktionale Welten. Mit beiden Aspekten können sie dabei an ökologische Themen anknüpfen. Auf der Darstellungsebene finden viele von ihnen in Naturräumen statt, die im Gefolge der Tendenz zum „world-building“ immer stärker der Simulation eines ökologischen Systems ähneln. In ihrer Eigenschaft als Spiel aber geben sie dem Spieler die Freiheit, innerhalb dieser Umwelt zu agieren und auf sie Einfluss zu nehmen. Dies geschieht wiederum innerhalb der Regeln, die das Spiel als System ausmachen. Welche Verhältnisse gibt es dabei zwischen den Spielregeln, dem „Funktionieren“ des Systems Natur und umweltethisch motivierten Verhaltensweisen?

Sebastian Domsch ist Professor für Anglophone Literaturwissenschaft an der Universität Greifswald (Profil auf den Institutsseiten).

Dienstag, 17. Dezember 2013

Marianne Henkel

Grenzen ökonomischer Bewertung von Biodiversität und Ökosystemen
Methodische, ökologische und gesellschaftliche Aspekte

Der Vortrag umfasst einen Ausschnitt aus einem Promotionsvorhaben zu ökonomischen Instrumenten im Biodiversitätsschutz und ihrer Förderung in Globaler Umweltgovernance. Ökonomische Instrumente wie Payments for Ecosystem Services (PES) und Biodiversitätsoffsets ziehen im internationalen Ökosystem- und Biodiversitätsschutz derzeit starke Aufmerksamkeit auf sich. Mit Initiativen wie REDD+, Wave-Initiative und International Payments for Ecosystem Services (IPES) sind nur einige genannt, wobei diese sich in unterschiedlichen Stadien der Debatte, Verhandlung oder (Pilot-)Umsetzung befinden. Bemerkenswert ist diese Dynamik insbesondere vor dem Hintergrund, dass umfassende empirische Erkenntnisse zu Wirksamkeit und Wirkungsbedingungen dieser Instrumente bislang nicht einmal für die nationale Ebene vorliegen. Eine Erklärung besteht in der Präsenz von Akteuren, die diese Instrumente explizit befördern: Internationale Finanzinstitutionen wie die Weltbank und regionale Entwicklungsbanken, bi- und multilaterale Geber, internationale Naturschutzorganisationen sowie individuelle Akademiker und Berater. Viele von diesen Organisationen und Individuen stehen miteinander in Austausch und Arbeitsbeziehung über das internationale Multi-Stakeholder-Netzwerk 'Forest Trends', das bereits eine Reihe von Initiativen zur Etablierung von Ökosystem-Märkten angestoßen hat.

Dienstag, 3. Dezember 2013

Philipp P. Thapa

Zur Notwendigkeit des Space Zen
oder: Der kurze Weg vom Umweltpragmatismus zur Ökotopie

"[S]omething like a Zen monastery would be perfect for long space voyages and the astonished encounter with the new – alongside (or perhaps as an extension of) the 'ecosteries' already being established ... on Earth ... Whole new schools of Space Zen may arise. Should arise", drängt der pragmatistische Umweltphilosoph Anthony Weston in einem seiner jüngsten Bücher, Mobilizing the Green Imagination. Was aber haben solche utopischen Ideen mit Pragmatismus zu tun? Stehen in der Umweltdebatte nicht oft genug "Pragmatiker" gegen "Utopisten"?

In meinem Vortrag möchte ich diesen Widerspruch auflösen, indem ich den Gedankengang meines Dissertationsprojekts zur Umweltethik nachvollziehe: Wenn wir das ökologisch-evolutionäre Welt- und Menschenbild ernstnehmen, das die Umweltethik motiviert, dann sollten wir uns auch eine pragmatistische Ethik zueigen machen, die unsere Werte und Normen strikt als historisch gewordene Antworten auf die Probleme des Gesellschaftslebens versteht. Gibt es aber keine absolute Moral, die wir lediglich zu entdecken haben, dann sind wir beständig aufgefordert, unsere Lebensform gestalterisch weiterzuentwickeln. Als zentrales Arbeitsfeld der (pragmatistischen) Umweltethikerin erweist sich damit die Pflege der utopischen Methode – das Ausmalen und Überprüfen konkreter Zukunftsentwürfe, unter ihnen vielleicht auch die meditative Besiedlung der Galaxie.

Dienstag, 19. November 2013

Daniel Schwab

Ökopsychologie und "Natural Urbanism"
Naturerfahrung und Wildnis in der Stadtplanung

Die stadtplanerische Denkschule des Sustainable Urbanism versucht, „einen neuen Konsens über die Rolle von Menschen in der Natur“ (Farr 2008, 28) zu schaffen. Aber die Definition von Natur und ihre Beziehung zum Menschen wird im Diskurs des Sustainable Urbanism nur oberflächlich behandelt. Dies führt in der stadtplanerischen Umsetzung zu unbefriedigenden Ergebnissen.

Die Ökopsychologie hingegen liefert diese fehlende detaillierte und differenzierte Darstellung der Mensch-Natur-Beziehung, und zwar in Bezug auf die Naturerfahrung. Die "radikale Ökopsychologie" von Andy Fisher beschreibt vier Aufgaben für die Überwindung der Entfremdung des Menschen von der Natur: eine psychologische, eine philosophische, eine praktische und eine kritische Aufgabe.

Vor diesem Hintergrund entwickelt Daniel Schwab das Projekt des Sustainable Urbanism anhand der Themen „fußgängergerechte Stadt“ und „naturnahes Ortsempfinden“, „wildnisbasierte Urbanistik“ und „ruderale Ökopsychologie“ ökopsychologisch weiter.

Zum Buch: Sustainable Urbanism as Natural Urbanism

Netzseiten des Autors: Ecopsychological Urbanism

Dienstag, 12. November 2013

Eric Wallis

Streit im Umweltdiskurs
Wie Greenpeace mit Sprachkritik den Umweltdiskurs beeinflusst

In seiner Dissertation geht es Eric Wallis um die Sprachkritik, die Greenpeace im Umweltdiskurs betreibt. Bei dieser Sprachkritik handelt es sich zumeist um eine Gegensprache, mit der Greenpeace seinen Standpunkt in den Diskurs einbringt, wie z.B. mit dem Wort 'Gen-Milch'. Dadurch, dass sich andere Akteure wie z.B. Müller-Milch, Medien, Gerichte, Supermärkte, Blogs u.a. öffentlich mit der Gegensprache von Greenpeace beschäftigen, wird diese mehr und mehr Menschen zugänglich. Die Relevanz der Dissertation liegt darin, Erkenntnisse darüber zu gewinnen, wie Gegensprache initiiert wird, wie sie sich etabliert und so dazu beiträgt, dass sich Institutionen und Individuen neu orientieren (können).

Als Methode dient die Diskursanalyse nach dem Modell von Spitzmüller/Warnke 2008, das ich mit dem Begriff der Orientierung nach Stegmaier 2008 erweitere, um verschiedene miteinander und übereinander kommunizierende Akteure erfassen zu können. Der Analyse liegen demnach auch und gerade die Texte verschiedener Akteure zugrunde, die sich in den Streit zwischen Greenpeace und Müller-Milch involvieren. Diese Debatte mit ihren konkreten Beteiligten stellt einen Mikrodiskurs im Gentechnikdiskurs dar. Anhand des Ablaufs dieser Debatte wird im Verlauf der Analyse zu zeigen sein, wie sich das desorientierende Potential von Gegensprache entfaltet und dazu beiträgt, dass sich das gesellschaftliche Wissen umstrukturiert, indem bestimmte alltägliche Plausibilitäten (wie z.B. 'Milch ist gesund') nicht länger uneingeschränkt gültig sind.