Unsere Forschung im Bereich Bakterienphysiologie beschäftigt sich hauptsächlich mit Stress-Anpassungsreaktionen in Gram-positiven Bakterien, insbesondere dem Modellorganismus Bacillus subtilis und dem pathogenen Bakterium Staphylococcus aureus. Mikroorganismen müssen sich in ihren natürlichen Habitaten an verschiedene ungünstige Umweltbedingungen anpassen, wie beispielsweise oxidativen Stress, Hitze- oder Kältestress, osmotischen Stress, Nährstofflimitation, anaerobe Bedingungen und die Einwirkung von Antibiotika. Um diese Bedingungen zu überleben, haben Bakterien entsprechende Anpassungsstrategien entwickelt und nutzen dabei sowohl spezifische als auch generelle Stressreaktionen. Eine der am besten charakterisierten Stressantworten bei Bakterien ist die vom alternativen Sigmafaktor SigB kontrollierte generelle Stressantwort von B. subtilis.
Neben genspezifischen Ansätzen kommen Methoden zur genomweiten Analyse des Proteoms und des Transkriptoms zum Einsatz, die eine umfassende Charakterisierung der bakteriellen Anpassungsreaktionen ermöglichen. Beispielsweise haben wir gemeinsam mit europäischen Partnern in einer großangelegten Studie das Transkriptom von B. subtilis unter mehr als 100 verschiedenen Wachstums- und Stressbedingungen analysiert und so eine umfassende Transkriptom-Karte erstellt und die Expressionsprofile sämtlicher Gene erfasst. Derartige Ansätze tragen zur Aufklärung der komplexen Regulationsvorgänge bei, die bei der bakteriellen Anpassung an veränderte Umweltbedingungen eine Rolle spielen. Damit dienen sie letztlich dem Ziel, die Interaktionen zwischen den zellulären Komponenten sowie die Funktion aller Proteine und funktionellen RNAs eines Organismus besser zu verstehen.
Verantwortliche Mitarbeiter
Dr. Alexander Reder
Wissenschaftliche Mitarbeiter
Dr. Stephan Michalik
Doktoranden
Marco Harms
Maximilian Schedlowski
David Núnez Nepomuceno
Alexander Ganske
Technische Assistenz
Marc Schaffer
Spezifische Forschungsprojekte
SECRETERS - Eine neue Generation von mikrobiellen Expressionswirten und Werkzeugen für die Produktion von Biotherapeutika und hochwertigen Enzymen (EU-finanziertes Horizont 2020-Projekt)
Das europäische Research Training Network SECRETERS zielt auf die Entwicklung leistungsfähiger neuer mikrobieller Plattformen für die Produktion sekretierter rekombinanter Proteine ab, wobei der Schwerpunkt auf therapeutischen Proteinen (Biotherapeutika) und schwer zu exprimierenden industriellen Enzymen liegt. Beides sind wichtige Produkte für den EU-Biotechnologiesektor mit einem Gesamtmarkt von über 140 Mrd. USD pro Jahr. Viele Proteine dieser Kategorien, insbesondere Disulfidbrücken enthaltende Proteine, bereiten jedoch große Probleme bei der Produktion.
SECRETERS umfasst ein Team von 15 Doktoranden und eine enge Zusammenarbeit zwischen fünf akademischen Einrichtungen mit Expertisen in den Bereichen Redox-Biochemie, synthetische Biologie und Proteinexpression sowie fünf nicht-akademischen Partnern, darunter einige der führenden Unternehmen für Biotherapeutika und industrielle Enzyme. Der Schwerpunkt des SECRETERS-Projekts liegt auf drei mikrobiellen Produktionswirten: Escherichia coli, Bacillus subtilis und die Hefe Pichia pastoris.
In unserem Teilprojekt untersuchen wir die Reaktionen von B. subtilis auf oxidativen Stress und Sekretionsstress während der rekombinanten Proteinproduktion mit Hilfe von Transcriptomics- und Proteomics-Ansätzen sowie der Verwendung von Reporterplasmiden. Ein vertieftes Wissen über das bakterielle Stressmanagement und die zugrundeliegenden Regulationsnetzwerke stellt eine wesentliche Grundlage für die Verbesserung industrieller Bacillus-Stämme dar.
Das vom alternativen Sigmafaktor SigB von B. subtilis kontrollierte Regulon umfasst mehr als 200 Gene, und die Aktivierung von SigB führt zu massiven Änderungen im Genexpressions-muster von B. subtilis. Obwohl die generelle Stressantwort von B. subtilis bereits sehr gut charakterisiert ist, gibt es verschiedene Aspekte, die noch nicht vollständig verstanden und Gegenstand unserer Forschung in diesem Bereich sind. Dazu gehören insbesondere die Regulationsmechanismen, die für spezifische Expressionsmuster von Subgruppen des SigB-Regulons verantwortlich sind, und die Funktionsaufklärung von SigB-regulierten Genen. Ein wichtiger Fokus unserer Arbeiten ist außerdem die Integration der SigB-abhängigen Antwort in das regulatorische Netzwerk von nicht-wachsenden Zellen.
B. subtilis kommt insbesondere in den oberen Bodenschichten vor und ist dort ständigen Veränderungen der Osmolarität seiner Umgebung ausgesetzt. Durch Austrocknung des Bodens auf der einen und starke Regenfälle auf der anderen Seite können die osmotischen Bedingungen im Boden sehr stark schwanken. Um einer Dehydrierung und Plasmolyse der Zellen bei Zunahme der externen Osmolarität entgegenzuwirken, nutzt B. subtilis osmo-protektive Substanzen, sogenannte compatible solutes, wie Prolin und Glycinbetain. Diese werden intrazellulär in hohen Konzentrationen akkumuliert, wodurch die Zellen Wasser zurück-halten und den Turgor aufrechterhalten können. In enger Kooperation mit der Arbeitsgruppe von Prof. Erhard Bremer (Marburg) analysieren wir die Regulation von Synthese- und Aufnahmesystemen für osmoprotektive Substanzen sowie die globalen Veränderungen der Genexpression und Physiologie von B. subtilis unter hyperosmotischen Bedingungen.
Die Anpassung an Stress- und Nährstoffbedingungen, denen S. aureus bei der Interaktion mit dem Wirt ausgesetzt ist, untersuchen wir hauptsächlich unter Einsatz von in vivo-Proteomanalysen (Themengebiet Wirt-Pathogen-Interaktionen). Ein Hauptziel von vergleichenden Analysen des S. aureus-Wildtyps mit Stämmen, die Mutationen in wichtigen Regulatoren tragen, ist das vertiefte Verständnis der regulatorischen Netzwerke, die die Anpassung der bakteriellen Physiologie an die Wirtsumgebung und die Synthese von Virulenzfaktoren steuern. Der alternative Sigmafaktor SigB ist ein zentraler Regulator, der auch in S. aureus ein großes Regulon kontrolliert, dessen Gene für Proteine kodieren, die u.a. an Stressantworten, Zellwand- und Stoffwechselfunktionen beteiligt sind, aber auch Virulenzfaktoren darstellen. Unsere Arbeitsgruppe beschäftigt sich insbesondere mit der Bedeutung von SigB für das Überleben von S. aureus in eukaryotischen Zellen.
Ein weiterer Schwerpunkt ist die Charakterisierung der physiologischen Rolle des Transkriptions-Terminationsfaktors Rho. Wie in anderen Bakterien, ist eine wesentliche Funktion von Rho in S. aureus die Unterdrückung von Antisense-Transkription. Von besonderem Interesse ist jedoch, dass bei S. aureus ein pathophysiologisch relevanter Zusammenhang zwischen der Aktivität von Rho und der Regulation von Virulenzfaktorgenen existiert, dessen molekulare Grundlagen in aktuellen Arbeiten untersucht werden. Darüber hinaus charakterisieren wir nicht-kodierende RNAs, die ebenfalls wesentliche Komponenten regulatorischer Netzwerke darstellen.